Der (ewige) Kampf: stationär versus ambulant

Der Kampf zwischen den Akteuren der ambulanten und stationären Versorgung währt gefühlt schon ewig. Aktuell bekommt er aber eine ganz neue Brisanz.
Es sind dramatische Töne, die die Krankenhausvertreter anschlagen. Rund 70 Prozent aller Kliniken sehen ihre Existenz laut einer aktuellen Umfrage gefährdet. Seit Mai 2023 haben bereits neun Kliniken einen entsprechenden Insolvenzantrag gestellt. In den Monaten Januar bis April 2023 gab es schon acht Insolvenzverfahren. Im gesamten Jahr 2022 gab es lediglich zehn Klinikpleiten.
„Der von ihm [Anm. d. Red.: Bundesgesundheitsminister Lauterbach] verweigerte Inflationsausgleich für die Krankenhäuser führt zu einem Monat für Monat steigenden Defizit von 500 Millionen Euro. Bis Ende des Jahres 2023 werden es 10 Milliarden sein, die sich als nicht refinanzierte Kosten bei den Krankenhäusern auftürmen. Zur Mitte des Jahres mussten deshalb bereits fünfmal so viele Krankenhausstandorte Insolvenz anmelden wie im gesamten Jahr 2021. Der Minister selbst spricht von einem Krankenhaussterben, das er nicht verhindern könne. Wer als Minister für die Sicherstellung der Gesundheitsversorgung für die Bevölkerung zuständig ist, aber öffentlich bekennt, dass er keine Ideen mehr hat, wie der kalte Strukturwandel mit einer Vielzahl von geschlossenen Kliniken verhindert werden könne, muss sich die Frage stellen lassen, ob er der Kernaufgabe seines Ressorts gerecht wird“, so die Deutsche Krankenhausgesellschaft im September 2023.
Kliniksterben versus Praxissterben
Das Wehklagen der niedergelassenen Ärzte und Ärztinnen klingt dabei ganz ähnlich: „Wenn sich in der Wahrnehmung und der Bezahlung der ambulanten Strukturen nichts ändert, dann sehen wir die deutliche Gefahr, dass die individuelle Betreuung in der Fläche nicht mehr gewährleistet ist", sagte beispielsweise der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg, Stefan Roßbach-Kurschat, am 11. September 2023 der Deutschen Presse-Agentur. „In Brandenburg haben wir aktuell 300 Hausarztpraxen, die nicht besetzt sind, das werden in drei bis fünf Jahren 600 Praxen sein.“ KV-Brandenburg-Chefin Catrin Steiniger kritisiert den jüngsten Honorarabschluss: „Wir sind über das Ergebnis maßlos enttäuscht. Viele Praxen stehen schon heute betriebswirtschaftlich mit dem Rücken an der Wand. Dieses Ergebnis ist zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel.”
Doch es gibt nicht nur ein Kampf ums Geld, sondern auch um Köpfe. Nicht wenige niedergelassene Ärzte und Ärztinnen beklagen, dass MFAs mit „Kopfprämien“ aus den Praxen in die Krankenhäuser gelockt werden. Auch das Gerangel um die angestellten Ärzte und Ärztinnen tobt. Eigentlich sollten die Praxen im Vorteil sein, denn der Ampel-Koalitionsvertrag sieht ja eine Ambulantisierung der Medizin vor. Auch aus Kostengründen.
Und während einige Akteure der ambulanten Versorgung privates Kapital in Form von Investoren regelrecht verteufeln, ruft der ambulante Sektor nun gerade danach.„Für Transformation brauchen wir Anreizsysteme", so Thomas Lemke, Sana-Vorstandsvorsitzender und Vize-Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft in einem LinkedIn-Post.„In Deutschland denken wir immer nur an Malus-Systeme. Wir brauchen aber auch positive Anreize, um etwa nicht versorgungsrelevante Kapazitäten abzubauen. Und wir brauchen mehr Möglichkeiten, auch privates Kapital für den Umbau zu mobilisieren. Denn der Staat allein wird es, wie wir merken, nicht leisten können."
Bekanntlich hat ja alles zwei Seiten. Für die Arztpraxen könnten sich weniger Krankenhäuser auch positiv auswirken, weil wieder mehr Ärzte und Ärztinnen für die Anstellungen in den Praxen zur Verfügung stehen.









