Kaufvertrag „über Patientenstamm“
Bereits im November 2021 hat der Bundesgerichtshof (BGH) einen Hinweisbeschluss erlassen, der für Praxisabgeber*innen weitreichende Folgen haben kann.

Die Medizinrechtsanwälte von Lyck+Pätzold healthcare.recht weisen auf einen BGH-Hinweisbeschluss hin, der weitreichende Folgen haben kann. Der Sachverhalt:
Der Kläger ist niedergelassener Zahnarzt in Regensburg. Die Beklagte betrieb ebenfalls in Regensburg bis zum 30. Juni 2018 eine Zahnarztpraxis mit einem Patientenstamm von rund 600 Patienten. Die beiden Zahnärzte unterzeichneten am 25. Mai 2017 in Hinblick auf die geplante Praxisabgabe einen „Kaufvertrag [über den] Patientenstamm. Der Vertrag sieht in § 1 die Veräußerung des Patientenstamms der privat- und vertragszahnärztlichen Praxis der Beklagten an den Kläger sowie die künftige Versorgung der Patienten*innen durch diesen vor.
Der Kaufvertrag sieht unter anderem die Umleitung des Telefonanschlusses und der Webseite vor. Zudem die Übernahme der analogen und digitalen Patientenkartei. Insgesamt war ein Kaufpreis von 12.000 Euro vorgesehen.
„Der BGH hat in seinem Hinweisbeschluss hierin einen Verstoß gegen § 8 Abs. 5 der Berufsordnung (für Zahnärzte in Bayern) gesehen“, wie die Kanzlei Lyck+Pätzold ausführt.
Nach § 8 Abs. 5 ist es einem Zahnarzt nicht gestattet, für die Zuweisung von Patienten oder Untersuchungsmaterial ein Entgelt oder eine sonstige wirtschaftliche Vergünstigung zu fordern, sich versprechen oder gewähren zu lassen oder selbst zu versprechen oder zu gewähren.
Der BGH sieht den Kaufvertrag als nichtig an und verweist zudem auf antikorruptionsrechtliche Vorschriften.
Tipps für die Praxisabgabe
Klar ist, dass ein Praxisverkauf „als Ganzes“, also mit Inventar, Patientenstamm etc. weiterhin zulässig ist. Aber viele Fragen lässt der Beschluss unbeantwortet, zum Beispiel, was bedeutet dies für psychotherapeutische Praxen, die in der Regel nicht über Praxisinventar verfügen, sondern „nur“ über einen Patientenstamm. „Psychotherapeut*innen, die ihre Praxis abgeben, tun gut daran, vor der Sitzung des Zulassungsausschusses einen wasserdichten unterschriebenen Kaufvertrag zu haben“, erklärt Robert Krüger Kassissa, Praxisberater aus Berlin.
Denn sonst passiert folgendes (wie kürzlich in einem Berliner Fall): Nachdem der/die Nachfolgerin durch den Zulassungsausschuss bestimmt wurde, muss durch eine/n Gutachter/in der Verkehrswert der Praxis ermittelt werden, damit der/die Nachfolger/in dies an den/die Abgeber/in zahlt. „Ein solcher Verkehrswert wird aber eher sehr niedrig ausfallen bzw. deutlich niedriger als die sonst in Berlin üblichen Marktpreise für Psychotherapie-Praxen“, so Krüger Kassissa von „Wir haben Praxis.“
Weitere unbeantwortete Fragen u. a. aus dem BGH-Beschluss sind: „Wie viel muss der materielle Wert am Gesamtkaufpreis mindestens ausmachen?“ Warum ist der Verkauf des ideellen Wertes gemeinsam mit den materiellen Werten in Ordnung, während der ausschließliche Verkauf des ideellen Wertes bzw. Patientenstamm eine Zuweisung gegen Entgelt ist?“, so die Ausführungen der Kanzlei Lyck+Pätzold.









