Ende der Budgetierung
Ein Satz im Ampel-Koalitionsvertrag klingt lapidar, hat aber gehörige Sprengkraft: Die Entbudgetierung bei Hausärzt*innen.

Auf Seite 85 des Ampel-Koalitionsvertrages
findet sich diese Formulierung: „Wir heben die Budgetierung der ärztlichen Honorare im hausärztlichen Bereich auf.“ Die Aufnahme in einen Koalitionsvertrag heißt ja noch nicht, dass das Projekt auch umgesetzt wird. Auch die Vorgänger-Regierung hat nicht alle Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag der 19. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages verwirklicht, wenngleich eine Bertelsmann-Studie in Zusammenarbeit mit dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) aus dem Herbst 2019 zu dem Ergebnis kommt, dass die Regierung in ihrer Halbzeitbilanz vorweisen konnte, dass bereits zwei Drittel der Versprechen aus dem Koalitionsvertrag eingelöst oder angepackt waren.
Mal angenommen, die aktuelle Ampel-Regierung legt ein ähnliches Umsetzungstempo wie die Vorgänger-Regierung an den Tag, dann ergeben sich aus dem einfachen, oben genannten Satz viele Fragen. „Wie dies [Anm. d. Redaktion: die Entbudgetierung
] im komplexen Geflecht der Honorarverteilung der KVen sichergestellt werden soll, bleibt offen“, schrieb die Ärztezeitung am 19. November 2021.
Unabhängig von der technischen Umsetzung in den Honorarverteilungssystemen der KVen, findet der Vorstoß Zustimmung. Der Virchowbund, Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands, beispielsweise fordert ja seit Jahren das Ende der Budgetierung. „Dieser Vorstoß ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Die Politik erkennt Schritt für Schritt, dass die Budgetierung mehr schadet als nützt“, sagt ein Sprecher des Verbandes. Widerstand kommt (wenig verwunderlich) von den Krankenkassen. So sagt die neue AOK-Chefin Dr. Carola Reimann im Interview mit der Ärzte Zeitung vor wenigen Tagen: „Eine Entbudgetierung, so wie sie auch im Koalitionsvertrag steht, ist nicht zielführend.“
Wie finden das eigentlich z. B. die Orthopäd*innen?
Warum die Entbudgetierung laut Ampel-Koalitionsvertrag nur für Hausärzt*innen gelten soll, bleibt unklar. Möglicherweise weil sie zahlenmäßig natürlich die größte Fachgruppe sind. Möglicherweise ist aber auch die Lobbyarbeit der Hausärzt*innen besser als die anderer Fachgruppen. Sollte die Entbudgetierung aber tatsächlich kommen, wird dies sicherlich auch andere Fachgruppen auf den Plan rufen. „Es ist tatsächlich wenig sinnvoll, die Budgetierung nur für die Hausärzte aufzuheben, zumal in vielen KVen die Auszahlungsquote im hausärztlichen Bereich ohnehin bei 100 Prozent oder sogar darüber liegt. Zumindest die grundversorgenden Fachärzte sollten in diesem ersten Schritt Richtung Entbudgetierung mit eingeschlossen sein. Unsere grundsätzliche Forderung nach Entbudgetierung für alle Fachgruppen bleibt aufrecht“, so ein Sprecher des Virchowbundes.
Fraglich bleibt auch, wie Entbudgetierung und Plausibilitätsvorgaben zueinander passen. Auch hier hat der Virchowbund gleich einen passenden Vorschlag: „Entbudgetierung und Regresse passen nicht zusammen. Wenn entbudgetiert wird, müssen die Kriterien für Plausibilitätsprüfungen angepasst werden. Zuletzt haben führende Kassenvertreter auch uns gegenüber geäußert, dass die Regresse nichts bringen und abgeschafft werden sollten.“









